Jedes Detail zählt - Sanierung Walfischgasse 13

Das Büro- und Wohngebäude Walfischgasse 13 im 1. Wiener Gemeindebezirk wurde im Jahre 1881 nach Plänen von Architekt Ludwig Tischler (1840 – 1906) im Stil der Neo-Renaissance errichtet. Ludwig Tischler gilt als ein prominenter Vertreter des für die Ringstraßenära typischen Historismus. Vor allem seine repräsentativen Mietpalais in der Inneren Stadt und entlang der Ringstraße prägen bis heute das Stadtbild Wiens.
Im Zuge der 2019 durchgeführten Generalsanierung samt Dachgeschoßausbau wurde besonderes Augenmerk auf die Restaurierung der unter Denkmalschutz stehenden Bauteile aus Naturstein gelegt, zu denen auch die das Gebäude bekrönende Attikabalustrade aus Sankt Margarethener Kalksandstein gehört. Der im sogenannten Römersteinbruch in Sankt Margarethen im Burgenland gewonnene Naturstein zählt zu den bekanntesten Natursteinen Österreichs und wird unter anderem am Wiener Stephansdom eingesetzt.

Von Juli bis Oktober 2019 sanierte die auf die Pflege und Erhaltung von Baudenkmalen aus Naturstein spezialisierte Wolfgang Ecker GmbH aus Traiskirchen die Attikabalustrade. Gestalterisch erhöht diese die Außenwand über den Dachrand hinaus und verdeckt optisch das dahinter aufragende Dach. Die Balustrade schließt die Fassadengliederung nach oben ab und ist somit ein wesentlicher Bestandteil der Fassadengestaltung. Insgesamt 84 Baluster teilen sich in Siebenergruppen in 12 Feldern auf und sind von Postamenten umrahmt.

Schadensbilder
Die exponierten Steinteile einer Attikabalustrade sind ständiger Bewitterung ausgesetzt und gelten unter Denkmalpflegern als besonders stark beanspruchte Bauteile. Bei der Befundung durch die Steinmetze wurden ausgeprägte Schäden an der rund 140 Jahre alten Steinsubstanz festgestellt. Wie jeder Baustoff unterliegt auch Naturstein über die lange Nutzungsdauer einem natürlichen Alterungsprozess.
Neben oberflächlichen Absandungen durch Witterungseinflüsse wie Durchnässung, Frost-Tauwechseln sowie Erosion durch Wind und Regen zeigten die Werkstücke tiefgreifende Schäden der Steinsubstanz. Vor allem in früheren Jahrzehnten gebräuchliche, nicht oder nur ungenügend gegen Korrosion geschützte Eisenanker hatten zu Rostsprengungen und Rissen geführt. Besonders stark in ihrer Substanz – und damit auch in der statischen Sicherheit – waren die Postamente, Fußläufe und horizontalen Profilteile oberhalb der Baluster beeinträchtigt.
Die in der Walfischgasse 13 vorgefundene Rostsprengung zählt zu den weltweit am weitesten verbreiteten Schadensbildern bei der unsachgemäßen Sanierung historischer Bausubstanz. Prominente Beispiele sind das Parthenon oder auch das Kolosseum. Der Austausch rostender Verankerungen und die fachgerechte Sicherung zählt somit zu einer wesentlichen Aufgabe bei der Bewahrung von Baudenkmalen aus und mit Naturstein.

Denkmalpflegerische Maßnahmen
Für die größtmögliche Sicherheit der Balustrade entwickelten die Steintechniker der Wolfgang Ecker GmbH zunächst ein statisches Konzept. Im Zuge der Steinsanierung wurden die Steinteile nach dem Entfernen der korrodierten alten Anker durch rostbeständige Vernadelungen neu gesichert.

Intakte Baluster wurden im Niederdruck-Strahlverfahren materialschonend von Inkrustierungen und Verunreinigungen gesäubert. Kleinere Fehlstellen wurden mit Remmers-Restauriermörteln ergänzt. Wo erforderlich, ersetzen sogenannte Vierungen die Fehlstellen steinmetzmäßig. Dabei setzen Steinmetze Neuteile aus Originalsubstanz passgenau in die zuvor sauber angearbeiteten Partien der historischen Substanz ein.
Waren Werkstücke so stark geschädigt, dass eine Steinergänzung oder der Einsatz von Vierungen denkmalpflegerisch nicht möglich war, wurden die Teile rekonstruiert. Insgesamt 19 Baluster wurden auf diese Weise als exakte Kopie der bestehenden Baluster von den Traiskirchener Steinmetzen handwerklich angefertigt. Abschließend erhielten die Oberflächen in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Bundesdenkmalamtes BDA einen Anstrich mit Kalkschlämme als sogenannte Opferschicht. Diese Kalkschlemme mit Steinmehl aus Sankt Margarethener Kalksandstein bereitet die Werkstücke für den finalen Farbauftrag in situ vor.

Bedeutung der Steinsanierung
Nach Abschluss der Steinmetzarbeiten präsentiert sich die Attikabalustrade der Walfischgasse in der ursprünglichen, von Architekt Ludwig Tischler beabsichtigten Klarheit und Präzision. Auch wenn die Attikabalustrade von der Straße aus nur aus weiter Entfernung sichtbar ist, trägt ihre Sanierung maßgeblich zur Sicherheit des gesamten Bauwerks und der Passanten bei. In Wien bergen besonders die während des Historismus errichteten Balustraden in Traufhöhe ein in der Öffentlichkeit bislang zu wenig beachtetes Gefahrenpotential. Am Beispiel der Walfischgasse 13 kann die Notwendigkeit der Sanierung auch weniger beachteter Baudetails einer breiteren Öffentlichkeit nahegebracht werden.

 

Bildunterschriften

Bild 1:
Repräsentative Ansicht des generalsanierten Gebäudes an der Kreuzung Walfischgasse-Akademiestraße.

Bild 2:
Blick auf die denkmalpflegerisch sanierte Attikabalustrade.

Bild 3:
Detail vom Kranzgesims mit der bekrönenden Attika.

Bild 4:
Balusterfelder und Postamente nach Abschluss der umfangreichen Sanierungsmaßnahmen.

Bild 5:
Alt und neu kombiniert: Die reich profilierten Natursteinbaluster zeigen den Formenreichtum Ludwig Tischlers.

Bild 6:
Typisches Schadensbild: Postament mit tiefgreifender Rostsprengung durch den korrodierten Eisenanker.

Bild 7:
Stark geschädigter Handlauf vor der Sanierung.

Bild 8:
Steinmetzmäßige Ergänzung großer Fehlstellen durch Vierungen aus Originalmaterial.

Bild 9:
Anlieferung der originalgetreu aus Sankt Margarethener Kalksandstein rekonstruierten Baluster.

Bild 10:
Schrägansicht eines sanierten Balusterfeldes mit Kalkschlämme vor dem finalen Farbauftrag.

Bild 11:
Ressourcenschonender Abbau des Originalgesteins in Sankt Margarethen im Burgenland.

Fotos: Fa. Wolfgang Ecker / Richard Watzke

Referenzen